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Informationssammlung zu systemischen Mastzellaktivierungserkrankungen (Mastozytose, Mastzellaktivierungssyndrom MCAS), für Betroffene und Fachpersonen
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Normale Mastzellfunktion bei Gesunden

Symbolbild: Mastzellen


Seitenübersicht:

  • Zusammenfassung
  • Entdeckung und Namensgebung
  • Herkunft und Vorkommen von Mastzellen
  • Aufbau und normale Funktion von Mastzellen
    • Speicherung von Mastzell­mediatoren
    • Rezeptoren: Erkennen äusserer Reize
      • FcεRI-Rezeptoren als Antikörper-Andock­stellen
      • Der Histamin-H1-Rezeptor
      • Der Vitamin-D3-Rezeptor
      • Rezeptoren auf Mastzellen (Beispiele)
    • Aktivierung und Mediatorfrei­set­zung
  • Quellenangaben

Zusammenfassung:

Entdeckung und Namensgebung

Mastzellen (oder Mastozyten) wurden von ihrem Entdecker so genannt, weil sie im Mikroskop aussehen wie vollgefressen (=gemästet). Bei den vielen kleinen Kügelchen handelt es sich jedoch nicht um Nähr­stoffe. Darin werden Botenstoffe (chemische Signalstoffe) gelagert.

Herkunft und Vorkommen von Mastzellen

Die Mastzellen entstehen im Knochen­mark aus sich teilenden Vorläufer­zellen, wandern durch den Körper in die Organe und Gewebe, um dort ihre Aufgabe zu erfüllen. Man findet die Mast­zellen vor allem in Grenz­organen, wo Kontakt mit der feindlichen Aussen­welt besteht (Darm­schleim­haut, Atem­wege, Haut), sowie in der Nähe von Gefässen und Nerven.

Aufbau und normale Funktion von Mastzellen

Mastzellen gehören zum Immun­system. Als "Wächter" sind sie für das Erkennen von Parasiten, Allergenen und Fremdstoffen zuständig. Gegebenenfalls alarmieren sie das umliegende Gewebe, indem sie Histamin und rund 200 weitere Botenstoffe freisetzen. Das Erkennen von "Fremdem" erfolgt über verschiedene Rezeptoren, welche – ähnlich wie wie Sensoren – bestimmte chemische Strukturen erkennen und bei Kontakt ein biochemisches Signal ins Innere der Mastzelle weiter leiten können. Wichtige Beispiele wären die FcεRI-Rezeptoren als Antikörper-Andockstellen (Allergenkontakt löst allergische Reaktion aus) und die Histaminrezeptoren (Histamin aktiviert über den Histamin H1-Rezeptor die Mastzelle, was wiederum Histamin freisetzt).

Aktivierung und Mediator­frei­set­zung

Die Freisetzung ist nicht unkon­trolliert, sondern es können je nach Situation selektiv auch nur bestimmte Mediatoren freigesetzt werden, schlagartig oder kontinuierlich. Den plötzlichen Zerfall der Mastzelle nennt man Degranulation bzw. Mastzell­degranu­lation.

Nebst Antigen-Antikörper-vermittelten Immun­reaktionen gibt es auch zahlreiche Stoffe und andere Reize, welche zu unspezifischer Mastzellaktivierung führen ("Pseudoallergie").

Die wichtigsten Symptome auslösenden Mediatoren (Boten­stoffe) sind Histamin, Pros­ta­glan­din D2 (PGD2), Plätt­chen­akti­vie­render Faktor (PAF), pro­inflam­matori­sche Zytokine, LTC4 und LTD4, Chemo­kine und Tryptase. Die einzelnen Boten­stoffe haben - je nach Art, Menge und Ort der Frei­setzung - diverse Aufgaben im Kampf gegen Eindring­linge, z.B. Entzündungsreaktionen, Schleimsekretion, Gefässdurchlässigkeit, Bronchienverengung, Darmentleerung, ...

Die freigesetzten Mediatoren gelangen zuerst einmal nur in die Zwischen­räume zwischen den Zellen, wo Lymph­flüssigkeit zirkuliert, und verteilen sich so im Gewebe. Sie binden sich dort an ihre spezifischen Rezeptoren auf den Oberflächen der umliegenden Zellen. Die Mediatoren werden nach ihrer Freisetzung rasch wieder abgebaut, noch bevor sie ins Lymph­system oder in die Blutbahn gelangen können. Erst wenn die freigesetzte Menge so stark angestiegen ist, dass die lokale Bindungs- und Abbau­kapazität erschöpft ist, können Mediatoren ins Blut gelangen. Das erschwert die Diagnose, weil die Mediatoren in einzelnen Organen bereits Beschwer­den verursachen können, ohne dass sie im Blut nachweis­bar sind.


Entdeckung und Namensgebung

Mastzellen werden in der Fachsprache auch Mastozyten genannt. Wie kamen die Mastzellen zu ihrem seltsamen Namen? Paul Ehrlich, der die Mastzellen 1876 entdeckt und erstmals beschrieben hatte, sah unter dem Mikroskop, dass diese im Gegensatz zu anderen Zellen mit ganz vielen kleinen Kügelchen gefüllt sind. Er inter­pretierte sie fälsch­licher­weise als vollge­stopft mit Nähr­stoffen (=gemästet), mit denen diese Zellen ihre Nachbar­zellen füttern, oder als Fremd­körper, die von diesen Zellen "gefressen" (phago­zytiert) wurden. Das stellte sich später als Irrtum heraus. Heute weiss man, dass in den Kügelchen Botenstoffe (chemische Signalstoffe) gelagert werden, welche der Kommuni­kation mit anderen Zellen dienen. So kamen die Mastzellen zu ihrem seltsamen und nicht zutref­fenden Namen.

Herkunft und Vorkommen von Mastzellen

Die Mastzellen zählt man zu den Blut­körper­chen (Blutzellen, Hämo­zyten), genauer zu den weissen Blut­körper­chen (Leukozyten). Sie entstehen im Knochen­mark aus sich teilenden undifferenzierten Stammzellen bzw. aus noch wenig differenzierten Vorläufer­zellen. Aus dieser "Blutzellenfabrik" im Knochen­mark wandern sie durch den Körper in die Organe und Gewebe, wo sie dann bleiben und zu fertig ausge­bildeten Mastzellen heranreifen.

Im Gegensatz zu anderen Blut­körper­chen sind Mastzellen nicht im Blut anzutreffen, sondern wandern durch die Gewebe. Somit ist die Bezeichnung "Blut­körper­chen" etwas irreführend, bezieht sich aber auf die Abstam­mung dieser Zellen (Entstehung aus den undiffe­renzierten, Blut­körper­chen bildenden Vorläufer­zellen im Knochen­mark) und nicht auf deren Aufent­halts­ort.

Man findet die Mast­zellen im ganzen Körper im Binde­gewebe und vor allem in Grenz­organen, wo Kontakt mit der feindlichen Aussen­welt besteht (Darm­schleim­haut, Atem­wege, Haut), sowie in der Nähe von Gefässen und Nerven. Dort sind sie richtig positioniert, denn die Mast­zellen gehören zum Immun­system und sind als "Wächter" an der Abwehr gegen Bakterien und andere fremde Eindring­linge beteiligt und auch für das Auslösen IgE-vermittelter allergi­scher Reaktionen zuständig.

Bild: Mastzellen im Gewebe
Schematische Zeichnung: Mastzellen im Gewebe, mit Blut­kapillaren und Lymph­kanal. Die Mastzelle im linken oberen Bereich ist aktiviert und setzt Mediatoren in die Zell­zwischen­räume frei (orange eingefärbt).

Aufbau und normale Funktion von Mastzellen

Speicherung von Mastzell­mediato­ren

Die Mastzellen besitzen ein grosses "Repertoire" an Boten­stoffen (Mediatoren), die der biochemischen Kommuni­kation mit anderen Zellen dienen. Einige Mastzell­media­toren werden nicht auf Vorrat produziert, sondern erst dann synthetisiert, wenn sie gebraucht werden. Der Grossteil der Mastzell­mediatoren wird hingegen in grossen Mengen auf Vorrat produziert und gespeichert. Die Aufbewahrung erfolgt in kleinen, 0.5-0.8 µm grossen "Bläschen" (Vesikel) hermetisch eingeschlossen, damit sie im Normal­zustand nicht auf die Mastzelle und den Körper einwirken. Rund 500 solcher Bläschen sind in einer Mastzelle enthalten. Man nennt sie auch Granula oder Mastzell­granula (von granum = Korn), weil deren Inhalt von körniger Struktur ist. Wie wir später noch sehen werden, dienen Mastzell­mediatoren dazu, im Notfall sehr viele teils sehr unange­nehme Verände­rungen im Körper auszulösen. Daher ist es wichtig, dass diese gefährlichen "Chemikalien­lager" strikte vom restlichen Teil der Zelle getrennt sind.

Elektronenmikroskopische Aufnahmen von Mastzellen [H. Jastrow]

Rezeptoren: Erkennen äusserer Reize

Die Hauptaufgabe der Mastzelle besteht darin, nach körperfremden Bedrohungen Ausschau zu halten und bei Erkennen einer Bedrohung die Umgebung zu alarmieren. Die Zell­membran (Oberfläche) der Mastzellen ist deshalb dicht mit verschiedensten Rezeptoren bestückt, welche – ähnlich wie wie Sensoren – bestimmte chemische Strukturen erkennen und bei Kontakt ein biochemisches Signal ins Innere der Mastzelle weiter leiten können [Molderings 2010]. Mittels dieser Rezeptoren kann die Zelle erkennen, was sich in ihrer Umgebung befindet. Ungefähr so, wie wir mit unserem Geruchs- und Ge­schmacks­sinn bestimmte Stoffe um uns herum wahrnehmen und erkennen können.

Wir illustrieren dies hier an drei ausgewählten Beispielen von Mastzell-Rezeptoren:

FcεRI-Rezeptoren als Antikörper-Andockstellen

Mastzellaktivierung mittels FcεRI-Rezeptoren bei Vernetzung mit Antigen-Antikörper-Komplex

Immunabwehr: Am bekanntesten ist wohl die bei der Typ-I-Allergie ablaufende Antigen-Antikörper-vermittelte Aktivierung von Mastzellen und basophilen Granulo­zyten. Auf der Oberfläche einer Mastzelle stecken zahlreiche FcεRI-Rezeptoren in der Zell­membran. An diesen FcεRI-Rezeptoren sind IgE-Antikörper gebunden. Wenn zwei IgE-Antikörper sich mit einem passenden Antigen (z.B. ein Parasit oder ein Fremdstoff, ein Allergen) vernetzt haben (Antigen-Anti­körper-Komplex) und dadurch die zwei an sie gekoppelten FcεRI-Rezeptoren in einen ganz bestimmten Abstand zueinander bringen, löst dies im Innern der Mastzelle ein biochemisches Signal aus, welches zur Akti­vierung der Mastzelle führt. Bildquelle: SIGHI 2015.

Der Histamin-H1-Rezeptor

Histamin-H1-Rezeptor in der Zellmembran

Der Histamin-H1-Rezeptor (blau-grüne Spiralstruktur) ist an G-Protein gebunden in die Zell­membran (=äussere Begrenzung der Zelle) eingebaut. Wird der Histamin­rezeptor von einem Histamin-Molekül ausserhalb der Zelle aktiviert, löst er im Innern der Zelle ein biochemisches Signal aus. Bildquelle: SIGHI 2012.

Der Vitamin-D3-Rezeptor

Die Stimulation von Vitamin-D3-Rezeptoren wirkt sich hingegen stabili­sierend auf die Mastzellen aus. Gute Vitamin D3-Versorgung verringert die Mastzell­aktivität. Vitamin D3-Mangel hingegen erhöht die Anfälligkeit für Mastzell­aktivierung. Auf der Oberfläche der Mastzellen sind Vitamin-D-Rezeptoren vorhanden. Die Studie konnte zeigen, dass Vitamin D sowohl in vitro wie auch in vivo die IgE-vermittelte Aktivierung von Mastzellen hemmt. Es werden weniger Entzündungs­mediatoren produziert. [Yip et al. 2014; Yip et al. 2015]

Rezeptoren auf Mastzellen (Beispiele)

Von den unzähligen Rezeptoren, die man auf der Oberfläche menschlicher Mastzellen findet, zählen wir hier ein paar ausge­wählte Beispiele auf. Zusätzlich wird der Ligand genannt (die Substanz, die an den Rezeptor binden kann), sowie die Antwort, die das Andocken des Liganden am Rezeptor in der Mastzelle auslöst. [Molderings 2010; Wu 2015; Yu 2015]

RezeptorLigand (an den Rezeptor bindende Substanz)Antwort der Mastzelle
Antikörper-Rezeptoren (Fc-Rezeptoren)IgA-, IgE- und IgG-AntikörperIgA: noch nicht geklärt
IgE: Degranu­lation der Mastzelle
IgG: Stimulation oder Hemmung der Mastzell­aktivität, je nach Rezeptor.
Toll-like receptors TLR1-9BakterienprodukteCytokin-Produktion
Histaminrezeptoren H1, H2, H4HistaminH1, H2: Aktivierung der Mastzelle
H4: Hemmung der Mastzell­aktivität
Serotoninrezeptor 5-HT1ASerotoninAdhäsion (Anhaften), Chemotaxis (Wanderung)
Kit-Rezeptor Tyrosin Kinase (CD117)StammzellfaktorAktivierung der Mastzelle
ß2-AdrenoceptorAdrenalinHemmung der Mastzell­degranu­lation bei allergischen Reaktionen
Produktion von Cytokinen
Östrogen-RezeptorÖstrogene (Estradiol etc.)Verstärkte Mediator­freiset­zung
Progesteron-RezeptorProgesteronHemmung der Mediator­freiset­zung
Prostaglandin E Rezeptoren EP2, EP3, EP4Prostaglandin EHemmung der IgE-Antikörper-vermit­telten Eico­sanoid-Produktion und Mediator­frei­set­zung; Mastzell­aktivierung
Vitamin D RezeptorVitamin DEntwicklung und Funktion der Mastzelle. Hemmung der Mastzell­aktivität
Cannabinoid CB2 Rezeptor2-Arachidonoyl-glycerin, AnandamidUnter­drückt die Mastzell­aktivität
Peripherer Benzodiazepin-Rezeptor?Hemmung der Mediator­freiset­zung
Chemokin-RezeptorenChemokineMastzell­migration, Cytokin-Frei­setzung ohne Degranu­lation
Cysteinyl-Leukotrien-Rezeptoren 1 und 2LeukotrieneProduktion von Cytokinen, Vermeh­rung der Mastzelle
Leptin-RezeptorLeptinAutokrine/parakrine immun­modulie­rende Wirkungen
Nikotinischer Acetylcholin-RezeptorAcetylcholinPotenzierung anaphylaktischer Reaktionen (?)
Protease-aktivierte Rezeptoren PAR1-4Serinproteasen (z.B. Trypsin, Tryptase)Mastzell­aktivierung, Mediator­freiset­zung (Histamin­freiset­zung)
Mas-related genes MRGX2Substanz P, vasoaktive Darm­peptide, Cortistatin (CST), proadreno­medullin N-terminal peptide (PAMP), LL-37, PMX-53 und ß-DefensineNozizeption, Neben­nieren­sekretion, Mastzell­degranu­lation

Aktivierung und Mediator­frei­set­zung

Wenn eine Mastzelle einen Angriff durch Fremd­stoffe (Allergene) oder Parasiten feststellt oder mit anderen mastzell­aktivie­renden Reizen konfrontiert wird, setzt sie gespei­cherte und auch frisch syntheti­sierte Boten­stoffe frei. Insgesamt kennt man bisher über 200 Mastzell­mediatoren [Molderings 2010]. Die Freisetzung ist erstaunlicher Weise nicht unbedingt ein unkon­trolliertes Entleeren des gesamten Inhalts, sondern kann sehr selektiv erfolgen. Mast­zellen können offenbar – an die Situation angepasst – auch ganz gezielt nur bestimmte Mediatoren freisetzen. Die Mediator­freisetzung erfolgt je nach Art und Stärke des Reizes entweder langsam und kontinu­ierlich oder schlagartig. Bei langsamer Frei­setzung durch schwache Reize scheint die Mastzelle intakt zu bleiben. Ist der Reiz stark genug, löst sich hingegen die Zell­membran auf und die Zelle zerfällt schlagartig. Die Granula werden hierbei freigesetzt und lösen sich allmählich auf. Das Ausstülpen der Granula (Körner) aus der Zelle heraus, sei es kontrolliert oder durch plötzlichen Zerfall der Mastzelle, nennt man Degranulation bzw. Mastzell­degranu­lation. [Orfanos 1966]

Exocytose: Freisetzung von Mastzellmediatoren aus Vesikeln.
Schematische Zeichnung: Freisetzung von Mediatoren, die in Vesikeln (Bläschen) der Mastzellen einge­schlossen sind. Sowohl die Vesikel wie auch die Zelle werden durch eine flüssige Membran in Form einer Lipid­doppel­schicht begrenzt. Die Membran der im Innern der Zelle liegenden Vesikel verschmilzt mit der Zell­membran und gibt so die darin gespei­cherten Stoffe frei. Diese Art der Aus­scheidung von Stoffen aus Zellen heraus nennt man allgemein Exozytose. Der genaue Mecha­nismus ist noch ungeklärt.



Video: Schlagartige Degranulation von Mast­zellen unter dem Mikro­skop.


Der stärkste Reiz, der eine schlagartige Freisetzung auslösen kann, sind Antikörper, die mit einem "Fremd­körper" verklumpt sind. Daneben gibt es aber auch chemische und physika­lische Reize, welche die Mastzellen zu unspezi­fischer Freisetzung (d.h. ohne Antigen-Antikörper-vermittelte Immun­reaktion) anregen können. Sie lösen eine pseudo­allergische Reaktion aus (Pseudo­allergie).
Die folgende schematische Abbildung zeigt den Unterschied zwischen einer echten allergischen Reaktion und einer Pseudo­allergie: [Bildquelle: Wikipedia]

[Allergie versus Pseudoallergie]
[Allergie versus Pseudoallergie]

Bei einer echten Allergie (links) wird ein Allergen von den darauf passenden Anti­körpern als körper­fremder Eindring­ling erkannt. Wenn dieser Antigen-Antikörper-Komplex an einen entsprechenden Rezeptor auf der Ober­fläche einer Mastzelle andockt, löst dies die Freisetzung von Histamin und anderen Mediatoren aus. Sie dienen als Signal­überträger (Boten­stoffe), um im Körper eine Abwehr­reaktion auszulösen.

Bei einer Pseudoallergie (rechts) ist kein Fremdkörper vorhanden, auf den das Immun­system reagieren würde. Statt­dessen wirkt ein Stoff (Histamin­liberator) direkt auf die Mastzellen ein und hat die Eigenschaft, diese zur Histamin­freiset­zung zu stimulieren. Es handelt sich nicht um eine Antigen-Anti­körper vermittelte Reaktion, verläuft also ohne Beteiligung des Immun­systems. Das Resultat (Histamin­ausschüt­tung) ist aber dennoch das selbe. Das Histamin löst die gleichen Symptome aus wie bei einer echten allergi­schen Reaktion. In der Regel verläuft aber eine pseudo­allergische Reaktion weniger heftig als eine allergische Reaktion. Der genaue Auslöse­mechanis­mus auf molekularer Ebene ist noch weit­gehend unver­standen.

Auf der Seite Therapie > Ernährungs­umstellung wird auf die Nahrungs­mittel verwiesen, welche solche histamin­liberie­renden Stoffe enthalten. Auch viele Medika­menten­wirkstoffe haben eine stark histamin­liberierende Wirkung, so dass in vielen Fällen eine medika­mentöse Behandlung die Ursache einer Histaminose ist. Die zu meidenden Wirkstoffe sind auf der Seite Therapie > Medikamente im Abschnitt "unverträgliche Medikamente" aufgelistet.

Einer der wichtigsten freigesetzten Mediatoren (Boten­stoffe) ist Histamin. Die einzelnen Boten­stoffe haben - je nach Art, Menge und Ort der Frei­setzung - diverse Aufgaben im Kampf gegen Eindring­linge, wie z.B.:

  • Erweiterung der Blutgefässe
  • Erhöhung der Blutgefässdurchläs­sig­keit
  • Verengung der Bronchien (=Bronchokon­strik­tion)
  • Entzündungsreaktion
  • Darmentleerung (Durchfall)
  • Anlocken von weiteren Mastzellen und anderen Abwehr­zellen zur Verstärkung. Die angelockten Mastzellen werden ebenfalls aktiviert und schütten zusätzlich Boten­stoffe aus (Signal­verstärkung).

Nebst der schlagartigen Freisetzung durch Immun­reaktionen gibt es noch eine grosse Zahl von Stoffen und anderen Reizen, welche die Mastzellen über andere, noch ungeklärte Frei­setzungs­mechanis­men zu einer unspezi­fischen Freisetzung (d.h. ohne Immun­reaktion) anregen können. (Ein nicht-immunolo­gischer Mecha­nismus wird vorge­schlagen von: [Sudo et al. 1996; Gao et al. 2010; Gao et al. 2012].)
Chemische Auslöser nennen wir Liberatoren (von "liberare" = befreien) oder genauer: Mastzell­mediator­libera­toren, Liberatoren von Mastzell­mediatoren. Häufig verwenden wir auch die Bezeichnung "Histamin­liberatoren", wegen der dominierenden Rolle von Histamin bei der Auslösung von Symptomen. Eine solche unspezifische Frei­setzung erfolgt meist eher langsam und kontinu­ierlich ohne vollstän­dige Degranu­lation [Mastcell­master] und ist darum weniger heftig als bei der Immun­reaktion. Diese unspezi­fische Frei­setzung wird nur relevant für Personen mit einer körper­lichen Prädispo­sition (z.B. Mastzell­aktivierungs­erkran­kungen) oder bei einer übermäs­sigen Exposition gegenüber den auslö­senden Umwelt­faktoren.


Die freigesetzten Mediatoren gelangen zuerst einmal nur in die Zwischen­räume zwischen den Zellen, wo Lymph­flüssigkeit zirkuliert, und verteilen sich so im Gewebe. Sie binden sich dort an ihre spezifischen Rezeptoren auf den Oberflächen der umliegenden Zellen. Die Mediatoren werden nach ihrer Freisetzung rasch wieder abgebaut, noch bevor sie ins Lymph­system oder in die Blutbahn gelangen können. Erst wenn die freigesetzte Menge so stark angestiegen ist, dass die lokale Bindungs- und Abbau­kapazität erschöpft ist, können Mediatoren ins Blut gelangen. Das erschwert die Diagnose, weil die Mediatoren in einzelnen Organen bereits Beschwer­den verursachen können, ohne dass sie im Blut nachweis­bar sind.

Die wichtigsten Symptome auslösenden Mast­zell­mediatoren [Valent et al. 2012, Tab.1]:

MediatorSymptome
HistaminKopfschmerzen, niedriger Blut­druck, Urticaria (mit oder ohne angio­ödem), Juck­reiz, Durch­fall
Pros­ta­glan­din D2 (PGD2)Schleimproduktion, Verengung der Bronchien, Blutgefäss­durchlässigkeit
Plätt­chen­akti­vie­render Faktor (PAF)Krämpfe, Lungen­ödem, Urticaria, Verengung der Bronchien, niedriger Blutdruck, Herz­rhythmus­störungen
Zytokine (pro­inflam­matori­sche)Lokale Entzündung, Ödem­bildung, Leuko­zyten­migration
LTC4 und LTD4Schleim­produktion, Ödem­bildung, Blutgefäss­durch­lässig­keit
Chemo­kineAkute Entzündung und Leuko­zyten­aktivie­rung, Leuko­zyten­anlockung
TryptaseGefäss­wand­akti­vie­rung mit anschlies­sender Ent­zünd­ung

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Quellenangaben

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GZurück zur vorherigen Stelle
Gao et al. 2012Gao ZG, Wei Q, Jayasekara MP, Jacobson KA.: "The role of P2Y(14) and other P2Y receptors in degranulation of human LAD2 mast cells.". Purinergic Signal. 2012 Jul 24.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/­pubmed/22825617
Gao et al. 2010Gao ZG, Ding Y, Jacobson KA.: "P2Y(13) receptor is responsible for ADP-mediated degranulation in RBL-2H3 rat mast cells.". Pharmacol Res. 2010 Dec;62(6):500-5. Epub 2010 Sep 8.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/­pubmed/20813187
MZurück zur vorherigen Stelle
MastcellmasterT.C. Theoharides. "Molecular Immunopharmacology and Drug discovery Laboratory".
https://mastcellmaster.com/­research.php (12.06.2012)
Molderings 2010Molderings GJ.: "Mast cell function in physiology and pathophysiology." BIOTREND Reviews 2010; 5: 1–9.
Nicht mehr abrufbar: https://www.biotrend.com/­download/­BTReview_­Jan2010_­Mast­cell.pdf
https://www.researchgate.net/publication/256120760_Mast_cell_function_in_physiology_and_pathophysiology
Frei zugänglicher Artikel. Erklärt die Funktion der Mast­zellen. Listen mit Rezepto­ren, Rezeptor­antago­nisten und -agonisten, Mastzell­media­toren, Folge­erkran­kun­gen
OZurück zur vorherigen Stelle
Orfanos 1966C. Orfanos: "Mastzelle und Mastzell­degranu­lation". Klinische Wochen­schrift, 15. Oktober 1966, Volume 44, Issue 20, pp 1177-1182.
https://link.springer.com/article/10.1007/BF01742094
Elektronenmikroskopische Beobachtun­gen an Gewebe-Mast­zellen unter­schied­licher Herkunft und Vorbe­handlung
SZurück zur vorherigen Stelle
Sudo et al. 1996Sudo N, Tanaka K, Koga Y, Okumura Y, Kubo C, Nomoto K.: "Extracellular ATP activates mast cells via a mechanism that is different from the activation induced by the cross-linking of Fc receptors". J Immunol. 1996 May 15;156(10):3970-9.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/­pubmed/8621938
VZurück zur vorherigen Stelle
Valent et al. 2012Valent P, Akin C, Arock M, Brockow K, Butterfield JH, Carter MC, Castells M, Escribano L, Hartmann K, Lieberman P, Nedoszytko B, Orfao A, Schwartz LB, Sotlar K, Sperr WR, Triggiani M, Valenta R, Horny HP, Metcalfe DD.: "Definitions, criteria and global classification of mast cell disorders with special reference to mast cell activation syndromes: a consensus proposal". Int Arch Allergy Immunol. 2012;157(3):215-25. Epub 2011 Oct 27.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/­pubmed/­22041891
(Propose a global unifying classification of all MC disorders and pathologic MC reactions. This classification includes three types of 'MCA syndromes' (MCASs), namely primary MCAS, secondary MCAS and idiopathic MCAS. MCA is now defined by robust and generally applicable criteria, including (1) typical clinical symptoms, (2) a substantial transient increase in serum total tryptase level or an increase in other MC-derived mediators, such as histamine or prostaglandin D(2), or their urinary metabolites, and (3) a response of clinical symptoms to agents that attenuate the production or activities of MC mediators.)
WZurück zur vorherigen Stelle
Wu 2015Wu H, Zeng M, Cho EY, Jiang W, Sha O: "The Origin, Expression, Function and Future Research Focus of a G Protein-coupled Receptor, Mas-related Gene X2 (MrgX2)." Prog Histochem Cytochem. 2015 Jun 8. pii: S0079-6336(15)00014-5. doi: 10.1016/j.proghi.2015.06.001.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/­pubmed/­26106044
"MRGX2 wird in den kleinen Neuronen der sensorischen Ganglien und in Mastzellen exprimiert. Es kann mit einer Reihe von Faktoren und Genen (Peptid Substanz P, gefässaktives Darmpeptid, Cortistatin (CST), Proadrenomedullin N-terminales Peptid (PAMP), LL-37, PMX-53 und ß-Defensinen) zusammenwirken. MRGX2 ist beteiligt an Nozizeption (Empfinden mechanischer, chemischer und thermischer Reize), Nebennieren-Sekretion und Mastzelldegranulation. Die neuere Forschung an MrgX2 bietet Einblicke in seine Rolle bei der Schmerzempfindung und antimikrobiellen Aktivitäten."
YZurück zur vorherigen Stelle
Yip et al. 2014Yip KH, Kolesnikoff N, Yu C, Hauschild N, Taing H, Biggs L, Goltzman D, Gregory PA, Anderson PH, Samuel MS, Galli SJ, Lopez AF, Grimbaldes-ton MA: "Mechanisms of vitamin D3 metabolite repression of IgE-depen-dent mast cell activation." J Allergy Clin Immunol. 2014 May;133(5):1356-64, 1364.e1-14. doi: 10.1016/j.jaci.2013.11.030. Epub 2014 Jan 22.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/­pubmed/24461581
Frei zugänglicher Artikel. Vitamin D3 hemmt mittels Bindung an Vitamin D-Rezeptoren die IgE-vermittelte Mastzell­aktivierung in vitro und in vivo (epikutan). Dieser Mecha­nismus kann die anti­entzünd­liche Wirkung dieses Vitamins erklären.
Yip et al. 2015Kwok-Ho Yip, PhD, Natasha Kolesnikoff, PhD, Chunping Yu, BSc, Nicholas Hauschild, BSc, Houng Taing, BSc, Lisa Biggs, BSc, David Goltzman, MD, Philip A. Gregory, PhD, Paul H. Anderson, PhD Michael S. Samuel, PhD, Stephen J. Galli, MD, Angel F. Lopez, PhD and Michele A. Grimbaldeston, PhD: "Vitamin D3 represses IgE-dependent mast cell activation via mast cell-CYP27B1 and -vitamin D receptor activity" J Allergy Clin Immunol. Author manuscript; available in PMC 2015 May 1.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/­articles/­PMC4154631/
Frei zugänglicher Artikel. "Mechanistic explanation for the anti-inflammatory effects of vitamin D3 on mast cell function by demonstrating that mast cells can actively metabolize 25OHD3 to dampen IgE-mediated mast cell activation in vitro and in vivo."
Yu et al. 2014Yu Y, Blokhuis BR, Garssen J, Redegeld FA: "Non-IgE mediated mast cell activation." Eur J Pharmacol. 2015 Jul 8. pii: S0014-2999(15)30144-8. doi: 10.1016/j.ejphar.2015.07.017.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26164792
"There is a plethora of stimuli, such as IgG, complement components, TLR ligands, neuropeptides, cytokines, chemokines and other inflammatory products, that can directly trigger mast cell degranulation, cause selective release of mediators, and stimulate proliferation, differentiation and/or migration. Moreover, some of these stimuli have a synergic effect on the IgE-mediated mast cell activation. [...] In this review, we discuss current knowledge on non-IgE stimuli for (human) mast cells."






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